Grosse Halle der Reitschule Bern, August 2008
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[Grafik: Josch Raff]
Zirkus ist frei. Zirkus ist wild. Zirkus ist echt. Und vor allem ist er nicht tot zu kriegen. Gerade in einer Zeit der multimedialen Abtörnung liegt eine große Hoffnung auf ihm. Aber wie lebendig ist dieser alte Bekannte wirklich? Manchmal erkennt man den wahren Charakter eines treuen Wegbegleiters ja erst, wenn er einem nackt gegenüber steht. Wenn man zu sehen kriegt, was lange im Verborgenen lag.
Zu diesem Zweck lüftet „Balder Fly – 378 Jahre Artisten, Tiere, Sensationen“ die Zeltplane und wedelt Frischluft zwischen die Gebeine eines alten Mythos. In der „Grossen Halle der Reitschule“ werden dem Zirkusgeist sommerliche Frischzellen eingepumpt. In den elegischen Weiten dieses Ortes kann der Zirkus wieder zu dem werden, was er einmal war: Anarchisch, archaisch, dionysisch, ungezähmt. Dafür wird alles aufgefahren, was laut und bunt ist: Getrimmte Schauspieler, gestählte Artisten, leidenschaftliche Musiker, unaufhaltsame Menschenmassen, exotische und weniger exotische Tiere, knatternde Töffs, elegante Limousinen.
Den Blick in die Asservatenkammer des Zirkus gewährt uns eine sagenhafte Gestalt: Die Artistenlegende Balder Bährenzahm. In seinem 378 Jahre währenden Leben war nicht immer alles Gold, was glänzte. Aber Balder ist kein Mann der Klage. Er ist ein Mann der Show. Normaler als der tägliche Gang zum Bäcker ist für ihn der Tanz mit dem Tod. Nichts hasst er mehr als zu langweilen. Mit dieser Mission im Hinterkopf nimmt er uns mit auf die äussersten Umlaufbahnen seiner Erinnerung, dorthin wo Fiktion und Wirklichkeit untrennbar nebeneinander liegen. In einem Epos aus fünf historischen Kapiteln gibt er den unterhaltsamen Reiseführer durch die Geschichte des Zirkus. Die Episoden sind unabhängige, narrative Inseln seiner Erinnerung. Zusammen ergeben sie die Erzählung eines phantastischen Lebens.
Die erste Station der Zeitreise ist Balders Kindheit. Hier trifft er die Grundelixiere des Zirkus: Das Animalische, den Rausch, den Tagtraum. Er wird von zwei Gauklern aufgelesen und in einem Akt mystischer Initiation zum Artisten. Nach
seiner Feuertaufe im Mittelalter verschlägt es Balder ins London der industriellen Revolution. Ein Mr. Astley brütet gerade an einer Vision namens Zirkus und schickt Balder hinauf zu seiner neusten Erfindung, dem Trapez. Im dritten Kapitel
wird die Lust der Zerstörung gefeiert. Balder segelt im besten Artistenalter durch die Manege des russischen Staatszirkus – und wird Teil der Revolution. Danach heisst es: „Zieh, wenn du kein Feigling bist.“ Mit einem Mal steht Balder als
Buffalo Bill im Wilden Westen. Mit seiner Reit-Show zieht er durch die Landen. Hollywood hat ihn entdeckt und macht ihn zur Ikone des „American Way of Life“. Der Atem des kühnen Erzählers Balder Bährenzahm ist nicht zu stoppen, nicht nach 378
Jahren Show. Mit einem Lächeln im Gesicht schliesst er die Augen und verfällt in einen Traum, in seinen Traum von Zirkus, in seinen Traum von Leben: Die Schwerkraft ist aufgehoben. Mensch und Natur, Disziplin und Aufbegehren, Leben und Tod.
Alles fällt in Eins...
Beteiligte | |
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Inszenierung | Wolfgang Klüppel |
Text | Axel Hesse |
Bühne | Matthias Wulst |
Artistik | Heidi Aemisegger |
Regieassistenz | Fiona Hirzel |
Regiehospitanz | Fabienne Nägeli, Franziska Zihlmann |
Technik | David Grütter |
Produktionsleitung | Mathias Bremgartner |
Grafik | Josch Raff |
Fotos | Manuel Uebersax |
Schauspiel | André Benndorff, Fiona Hirzel, Emma Murray, Marie Omlin, Tom Ott, Thomas Pösse, Marcus Signer |
Musik | Pascal Nater, Omar Fra |
Tojo Theater Bern
Grosse Halle der Reitschule Bern
Wilde Welt (Bar, DJs, Rahmenprogramm)
Nick Werren von Endorphin Entertainment (Konzerte)
Selina Ranch (Pferde)
Stadt Bern
Kanton Bern / Swisslos
Migros Kulturprozent
Stanley Thomas Johnson Stiftung
Ernst Göhner Stiftung
Paul Schiller Stiftung
Burgergemeinde Bern
Schweizerische Interpreten Stiftung
Energie Wasser Bern
[Foto: Manuel Uebersax]
[Foto: Manuel Uebersax]
[Foto: Manuel Uebersax]